Dienstag, 8. Oktober 2013

Celtic gegen die Rangers - eine Frage des Glaubens

Rivalitäten gibt es im Fussball überall. Dortmund gegen Schalke, Real gegen Barca, River Plate gegen Boca oder Inter gegen Milan. Doch ein Derby überstrahlt alles: Das "Old Firm". Wenn sich die Blauen gegen die Grünen, die Protestanten gegen die Katholiken oder die Armen gegen die Reichen duellieren, dann spielt Celtic gegen die Rangers. Über einen Mönch, die britische Flagge und Alex Ferguson.


Da liegt einer im Bett, ein Katholik, Celtic-Fan. Er ist kurz davor abzukratzen. Seine Familie fragt ihn: "Irgendwelche letzten Wünsche?" Der Typ meint: "Ja, ich will evangelisch werden." Die Familie entgegnete: "Was? Wie bitte?" Er sagt: "Ich möchte das wirklich tun." Also holen sie einen Pfarrer, der ihn zum Protestanten und Rangers-Fan konvertiert. Die Familie fragt: "Warum hast du das getan?" Der Typ erklärte: "Wenn ich sterbe, gibt es ein Protestanten-Schwein weniger."

Gelächter rund um den Mann. Er ist Mitte 20. Vielleicht etwas älter. Nicht nur sein etwas harter Witz zeigt, dass er Fan von den "Bhoys", von Celtic, ist. Auf seinem Pullover, natürlich in den Farben grün und weiss, prangt das Wappen von Celtic. Ausgestattet ist es mit einem vierblättrigen Kleeblatt. Dies sollte Glück bringen und sogleich einem Shamrock, dem inoffiziellen Nationalsymbol Irlands, gleichen. Ein wenig Hoffnung für eine täglich mit Elend konfrontierte Stadt Glasgow, dachte sich Gründer Walfrid, als er den Celtic Football Club im November 1887 ins Leben rief. Walfrid war ein irischer Mönch, der mit dem Projekt "Celtic" vor allen Dingen darauf bedacht war, etwas Gutes zu tun. So wandert bis heute ein beachtlicher Geldbetrag aus den Kassen des Clubs in soziale Einrichtungen. 

Was ebenfalls aus dem Witz des Celtic-Fans hervorgeht, ist die Tatsache, dass der religiöse Aspekt rund um die Grünen bis heute nicht von der Bildfläche verschwand. Es existiert der in Glasgow krasse Widerspruch zwischen katholisch (Celtic) und protestantisch (Rangers). Nicht wenige vertreten die Meinung, wer sich entscheidet Fan einer der beiden Teams zu werden, entscheidet eine Glaubensfrage. So bietet dieses Derby neben dem üblichen geografischen Reizpunkt vor allem die Kluft zwischen zwei religiösen Ansichten, was weltweit in diesem Ausmass einmalig ist. 

Im Ibrox, wo die Rangers ihre Heimspiele austragen, singen die Blauen derweil gern: "Die Hungersnot ist vorbei, warum geht ihr nicht nach Hause?" Ein Celtic-Fan kommentiert das so: "Man will uns hier nicht sehen." Hintergrund dieser Aussagen ist die Masseneinwanderung von Iren Ende des 19. Jahrhunderts nach Schottland. Dabei war Glasgow sehr attraktiv. Die Hauptstadt Schottlands boomte aufgrund grosser Kohlevorräten und einer aufstrebenden Textilherstellung. Es gab also Arbeitsplätze, was die in Hungersnot geratenen Iren in Scharren anlockte. Diese fanden in Celtic ein Stück Heimat. So ist der Gründer weitaus nicht die einzige irische Komponente in der Vereinschronik von Celtic. Die Hunderttausende Menschen mit irischer Vergangenheit verschrieben sich somit beinahe von selbst den "Celts". So wird bis heute im Celtic Park die irische Flagge gehisst. Aus den edleren Teilen Glasgows wurde dies mit Zähneknirschend wahrgenommen. Sie sahen nicht nur ihre Arbeitsplätze, durch die in meist Elendsvierteln wohnhaften Iren, gefährdet. Auch ihr Fussballverein, die Rangers, erhielten plötzlich Konkurrenz. 16 Jahre vor Celtic wurde der Glasgow Rangers Football Club gegründet. Sie wurden mit den Farben blau, weiss und rot ausgestattet - den Farben des Union Jack, der britischen Nationalflagge. Während die Celtic-Anhänger ein eigenständiges und einheitliches Irland befürworten, wünscht man sich im Lager der Rangers eher ein Grossbritannien.  Ein weiteres brisantes Mosaiksteinchen in der Rivalität der beiden Zugpferde in der schottischen Premier League. 

Das schottische Liga-System mit zwölf Mannschaften sieht mindestens vier Duelle jährlich der beiden Erzrivalen vor. Diese Zahl kann durch die beiden parallel ausgespielten Pokalwettbewerben bis auf rund sechs Begegnungen steigen. Es sind diese vier bis sechs Tage im Jahr, wo sich die Stadt Glasgow teilt. Blau oder grün? Arm oder Reich? Protestant oder Katholik? Für oder gegen Irland? Fragen, die kein Verständnis für die jeweils rivalisierte Fan-Gruppierung zulässt. Es ist teils blanker Hass, der dem Kontrahent entgegen weht. Es gab Zeiten, als einem 15-jährigen Fan die Kehle aufgeschlitzt worden ist, weil er beim Heimweg das "falsche" Trikot trug. Weiter sagen Statistiken, dass sich die häusliche Gewalt während eines Old Firms (Sinn: "alte Standhaftigkeit") verdoppelt. Vor den Duellen erinnern ranghohe Beamte die Spieler, dass sie auf dem Platz möglichst keine Dummheit begehen, die eine Eskalation auf den Tribünen zur Folge haben könnte. Seit 2011 ist das Singen von Lieder mit rassistischem Hintergrund untersagt. Wer es trotzdem tut, wird mit fünf Jahren Stadionverbot bestraft. Traurige Fakten, welche die Tragweite dieses Derbys wiedergeben. 

Mittlerweile konnte diesem erbitterten Duell etwas die beängstigende Spannung genommen werden. Die Stadien wurden soweit modernisiert, dass man jeglichen Übeltäter schnell ausmachen kann. Ebenfalls dazu beigetragen hat die überarbeitete Transferpolitik der Rangers. Bis 1989 wurden lediglich Spieler mit protestantischem Hintergrund verpflichtet. Maurice Johnston, früher einst bei Celtic unter Vertrag, brach dieses Gesetz Ende der Achtziger. Das Blatt "Die Welt" fügt an: "Wie bei jedem Ereignis von historischer Tragweite kann sich jeder eingefleischte Fan von Celtic oder de Rangers sagen, wo er an dem Tag war, als die Rangers Johnston verpflichteten."

Es war der 29. April 2012. Die Rangers traten zum Auswärtsspiel im "Paradise", wie die Celtic-Fans ihr Stadion liebevoll nennen, an. Finanziell arg gebeutelt und mit Punkteabzug sanktioniert, ging man bei den Grünen 0:3 unter. Es war das vorerst letzte Duell zwischen den beiden Glasgower Fussballclubs. Die "Gers" wurden aufgrund erheblichen Schulden in die vierte Liga versetzt. Somit ist Celtic nun alleine. Wirklich alleine. Die Rangers sind mit 54 Meistertitel weltweiter Rekordhalter für die meisten nationalen Meisterschaften. Celtic kommt auf 44. Weitere kommen wohl nach dem Abstieg der Gers dazu. Schliesslich war es im Jahr 1986, als das letzte Mal ein Team ausser den beiden Glasgower Riesen Meister wurde. Es war dies der FC Aberdeen - trainiert von einem gewissen Alex Ferguson.

Fürs Erste sind sie somit ausgestorben, die "Old Firms". Ein Derby das, wie wohl kein anderes auf der Welt, für Zündstoff sorgt. Und wahrscheinlich sitzt er noch immer in seinem Pub, dieser Celtic-Fan. Mitte 20. Ganz sicher etwas älter. Und vielleicht reisst jetzt Witze über Aberdeen und Motherwell. Vielleicht hallt immer noch Gelächter durch das Pub. Aber vielleicht stört es ihn auch, dass er weg ist, der ewige Konkurrent. Vielleicht vermisst er dieses Knistern vor einem Old Firm. Vielleicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen